Erfolgsstory: Von der TMC an die Musicalhochschule

Erfolgsstory: Von der TMC an die Musicalhochschule

Johnathan Guth, gerade 17, wechselt von der TMC an die Musicalhochschule

Zwischen Aufbruchsfreude und Abstandsregel – Studienvorbereitung in Isolation, in einer Branche, die von Publikum lebt

Vor Publikum auf einer Bühne stehen, Liebe, Wärme, Fröhlichkeit verbreiten, am liebsten als Musical-Darsteller: Das ist auch Jonathans Traum. Der 17-Jährige aus Maschen startet jetzt sein Studium an der Folkwang Universität in Essen. Doch wie bereitet sich ein Jugendlicher auf die Musical-Aufnahmeprüfung vor, wenn der direkte Kontakt zum Publikum fehlt? Konzertbühnen fristen in Corona-Zeiten ein gespenstisch stilles Dasein. Was das auch für einen Ausbilder bedeutet, darüber sprechen wir mit Pascal F. Skuppe, dem musikalischen Leiter der TMC (The Musical Company in Seevetal-Maschen) und Jonathan Guth.

Jonathan, Aufnahmeprüfung bestanden, jetzt wird Musical studiert. Sie standen bereits während ihres Praktikums und dem FSJ in der TMC begeisternd auf der Bühne. Dann kam der Lockdown. Hat die Berufsorientierung zwischenzeitlich mal an Schwung verloren?

J.G.: Nein, im Gegenteil. Der Lockdown hat bei mir dazu geführt, dass ich mich noch besser auf mich selbst konzentrieren konnte. Das betraf insbesondere die zielorientierte Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung. Hier konnte ich ohne Ablenkung richtig Fahrt aufnehmen. Klar habe ich zwischenzeitlich über die Zukunftsaussichten nachgedacht. Das bleibt nicht aus, wenn ich auf die derzeitige Situation der darstellenden Künstler schaue.

Waren Sie verunsichert, ob sich Ihr Ziel, das Musical-Studium, noch verwirklichen lässt?

J.G.: Ja, durchaus. Ich habe es in drei Aufnahmeprüfungen in verschiedenen Städten in die finale Endrunde geschafft und bin dort gescheitert. Das hat mich etwas verunsichert. Die Herausforderung dabei war für mich, Verunsicherung und Zweifel keinen Raum zu geben.

Das gemeinsame Aufarbeiten des Erlebten in der TMC hat mir geholfen, weiter an mich zu glauben. Vor allem weiterhin aufbauend und diszipliniert an mir zu arbeiten, um die Anforderungen der Aufnahmeprüfungen zu erfüllen. Im vierten Anlauf konnte ich trotz meines jugendlichen Alters überzeugen.

Mit 17 haben Sie jetzt den Studienplatz bekommen, von dem viele träumen. Was war die Initialzündung, der Impuls, der Sie bewegt hat, sich vor drei Jahren der TMC anzuschließen? Sie waren erst 15 Jahre alt, kamen frisch von der Schulbank.

J.G.: Ich war 14 Jahre, als ich an einem Förderprogramm für junge Talente an der Stage School teilgenommen habe. In dem Glauben, als Musical-Talent bewerbe ich mich auf eine Rolle, bekomme diese oder eben nicht. Das anschließende Praktikum und daraufhin das FSJ in der TMC haben mir erst den genaueren Blick auf das Musical-Studium eröffnet.

Auch wie der Berufsalltag eines Musical-Darstellers später aussehen kann. Denn ich durfte mehr als einmal mit professionellen Darstellern in der TMC auf der Bühne stehen. Ich habe hautnah erleben können, wie eine Stimme bis ins kleinste Detail ausgebildet wird, wie anspruchsvoll choreographische Feinheiten erarbeitet werden und dass eine Hauptrolle harte Arbeit bedeutet.

Aber am meisten faszinieren mich die Menschen dort. Zum einen die Teilnehmer, wie sie konsequent und lernbegierig auf Ihr Ziel hinarbeiten. Zum anderen die Ausbilder in Gesang, Tanz und Schauspiel. Wie es ihnen gelingt, an die unterschiedlichen Entwicklungsstände der Teilnehmer anzuknüpfen und die geforderten theoretischen und praktischen Inhalte didaktisch gut aufbereitet zu vermitteln.

Ein wichtiger Lebensabschnitt Ihrer Jugend geht zu Ende. Was nehmen Sie aus Ihrer Zeit in der TMC für Ihren weiteren Lebensweg mit?

J.G.: Ich verstehe den Beruf des Musical-Darstellers jetzt besser. Dazu zählt neben den fachlichen Fähigkeiten auch, was ich menschlich mitbringen muss. Bin ich bereit etwas zu opfern, beispielsweise ein Teil meiner Freizeit? Wie viel Kraft muss ich in mir mobilisieren, um diesen Werdegang überhaupt beschreiten zu können?

Das Größte für mich ist allerdings die persönliche Reife, die ich in diesen drei Jahren erlangt habe. Diese Erfahrung hat mich als junger Mensch am meisten erstaunt. Wie es mir heute gelingt, innere Zustände, sprich Anspannung, Nervosität, Schüchternheit, allein kompensieren zu können und das Erlernte treffsicher abzurufen.

Worauf freuen Sie sich am meisten?

J.G.: Dass es mit dem Studienbeginn am 6. April für mich real wird. Und demnächst sehe ich auch mein Foto auf der Website der Folkwang Universität neben den anderen fünf neu aufgenommenen Musical-Studenten. Das wird bestimmt ein schöner Moment.

Herr Skuppe, Jonathan kam sehr jung und mit großen Erwartungen zu Ihnen in die TMC.  Welche Entwicklung hat er aus Ihrer Sicht genommen?

P.F.S: Oh, ja. Die Erwartungen waren hoch. Allerdings hat Jonathan bereits ganz viel mitgebracht, was für das Berufsbild wichtig ist. Biss und Willensstärke. Ein Beispiel. Mit 12 Jahren spielte er in einem Chor-Projekt mit. Anschließend kam er zu mir und fragte mich nach einem Praktikumsplatz. Aus schulischen Gründen ließ sich das nicht einrichten.

Jonathan bewarb sich jedes Jahr wieder. Er hat es mit 13 Jahren, mit 14 Jahren versucht. Das hat mich sehr beeindruckt. Hier sehe ich die Parallelität zu den Aufnahmeprüfungen. Am klaren Ziel, was er machen möchte, hält er so lange fest, bis es klappt.

Welche Hürden musste Jonathan überwinden?

P.F.S.: Die größte Hürde für ihn als angehenden Bühnendarsteller war zu lernen, sein berufliches Ich von seinem privaten Ich zu trennen. Eine Grenze zu ziehen zwischen Bühnenfigur und Privatperson. Wer einen künstlerischen Beruf auf der Bühne ausübt, entwickelt eine eigene Bühnenpersönlichkeit. Genau gesagt, eine neue Lebensrolle.

Die Charaktere, in die Jonathan bisher eingetaucht ist, sind mitunter weit entfernt, von seinem privaten Ich. Um als Künstler fremde Charaktere glaubwürdig darstellen zu können, musste Jonathan selber erst einmal erkennen, wer bin ich, was will ich, was kann ich. Erst dann ist er als Mensch auf der Bühne in der Lage, loszulassen und diesen anderen Charakter einzunehmen.

Es beeindruckt mich, dass er bereits zwischen 14 und 17 Jahren diesen wichtigen Entwicklungsschritt genommen hat. Einerseits hat er sich fachlich, technisch durch fleißiges Üben in vielen Disziplinen auf ein sehr hohes Niveau gebracht. Gleichwohl hat er sich persönlich entwickelt. Das bedeutet, dass er alle Seiten von sich besser kennt, seine Grenzen einzuschätzen weiß und akzeptiert, Selbstverantwortung übernimmt, liebgewonnene Komfortzonen verlässt, ja, und auch sein Selbstwertgefühl gesteigert hat.

Die Vorstellung von dem Traumberuf ist das eine. Anderseits hat Jonathan über die Jahre in der TMC ein Setting bekommen, dass ihn in die Realität des Berufes gebracht hat. Das Gesamtkonzept der TMC macht aus, dass hier unterschiedliche Niveaus gesetzt werden, die nicht nur die Spitze fördern, sondern auch die Breite anheben. An Jonathan haben wir in der studienvorbereitenden Ausbildung andere Ansprüche gestellt, in dem er mit professionellen Musical-Darstellern auf der Bühne stand. Daran ist er gewachsen.

Musikbildung, Konzertproduktionen, studienvorbereitende Ausbildung sind ein aufregendes Feld zwischen Theorie und Praxis. Wie sind Sie gefordert, seit die weltweite Pandemie auch Ihren gewohnten Abläufen und dem Bildungsauftrag einen Strich durch die Rechnung macht?

P.F.S.: Für den künstlerischen Bildungsbereich ist diese Zeit problematisch. Kunst ist Begegnung und ein Dialog und der ist analog, nicht digital. Als Ausbildungsbetrieb sind unsere Möglichkeiten qualitativ deutlich eingeschränkt. Wir sind gezwungen, unsere Ideale runterzuschrauben. Musiktheorie zu vermitteln, lässt sich umsetzen. Schauspiel hingegen hat sehr viel mit Begegnung zu tun, sprich gemeinsam in einem Raum zu sein. Gesangsausbildung über Zoom ist auf sinnvollem Niveau nur schwer durchführbar. Das gilt bedingt auch für die tänzerzische Ausbildung.

Sie lieben, was Sie tun. Das ist die beste Voraussetzung, den Funken der Begeisterung auch bei anderen hervorzurufen. Warum lohnt es sich – für Jung und Alt – das künstlerische Angebot der TMC in Gesang, Tanz, Schauspiel oder instrumentalem Musizieren, kennenzulernen?

Es lohnt sich für diejenigen in die TMC zu kommen, die sich in Schauspiel, Tanz, Gesang und instrumental weiterentwickeln möchten. Wer in der TMC mitmacht, bekommt die Möglichkeit, über sich hinauszuwachsen, die eigenen Grenzen zu erweitern. Das gelingt denen, die mit Freude regelmäßig üben. Wir sind keine Zauberer. Wir arbeiten konsequent, so profinah wie möglich. Dadurch schaffen wir ein Feld für Menschen, die dazu bereit sind.

Viel wichtiger als der Unterricht an sich ist die Lust, sich täglich mindestens zehn Minuten mit seiner Rolle, dem Stoff auseinanderzusetzen. Der Unterricht sortiert nur das Üben. Es reicht nicht, nur einmal wöchentlich drei Stunden zur Probe zu erscheinen. Wer dazwischen nichts tut, verliert schnell den Anschluss. Eine Hauptrolle zu spielen, erfordert zu arbeiten.

Wer das Gefühl hat, dass es ihm besser geht, wenn er besser wird, kann hier unglaublich tolle Erfahrungen machen. Unsere Projekte stehen Jung und Alt offen, von der dritten Klasse bis hin zu 70, 80 Jahren. In den meisten Stücken gibt das Musical selbst Rollen für Jung bis Alt her. In der Ensemblearbeit generationsübergreifend zu arbeiten, hat den Vorteil der Vernetzung. Ensemble ist doch ein Abbild von Gesellschaft. Und das Alter ist ein Rahmenfaktor, der ein Ensemble prägt.

Das Interview führte Carmen Monsees.

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